Über das Projekt Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg und der Gründung des Staates Israel gibt es im Herzen Europas Zehntausende jüdische Flüchtlinge. Ganze jüdische Gemeinden aus verschiedenen Städten der Ukraine verließen zusammen mit den Rabbinern, den Vorsitzenden und einem beträchtlichen Teil ihrer Mitglieder ihr Zuhause. Einige Flüchtlinge verloren ihre Wohnungen, viele ihre Arbeit und ihre Existenzgrundlagen. Unter ihnen waren auch Menschen, die schwer verletzt wurden und deren Verwandte in diesem Krieg ums Leben kamen. Dieses Projekt ist der Dokumentation und der Erhaltung persönlicher Zeugnisse jüdischer Flüchtlinge gewidmet, die die Tage nach dem Einfall der Russen in die Ukraine betreffen. Das Blut der jüdischen Flüchtlinge unterscheidet sich natürlich nicht vom Blut anderer Flüchtlinge. Jedoch wurde zum offiziellen Ziel der russischen „Spezialoperation“ die Entnazifizierung und der Schutz der russischsprachigen Bevölkerung erklärt. Deshalb sind die Berichte der russischsprachigen jüdischen Flüchtlinge, deren Existenzen durch die „Befreier vom Nazismus“ vernichtet wurden, besonders aufschlussreich. Diese Menschen sind das Objekt zweifacher „Fürsorge“ – einmal, weil sie Juden sind (für die Nazismus für das absolut Böse steht) und zum anderen, weil sie Russisch sprechen. Jeder von ihnen hatte seine „jüdische“ Kriegserfahrung. Als eine Frau am Vorabend des Pessach-Festes mit Hilfe eines alten sowjetischen Primuskochers Mazze backte, spürte sie zum ersten Mal, dass sie „aus Ägypten auszieht“. Eine andere benutzte, als der Strom abgeschaltet wurde, einen Chanukkaleuchter als Lampe, um ihrer gelähmten Mutter eine Insulinspritze zu geben. Eine dritte Frau musste, nachdem Mariupol von den Russen besetzt wurde, zum ersten Mal in ihrem Leben den Davidstern unter ihrer Bluse verbergen. Die Geographie des Exodus schließt folgende Städte ein: Charkow, Mariupol, Tschernihiw, Kiew, Odessa, Dnjepr, Butscha, Irpin, Saporischschja, Wasilkow, Kramatorsk und andere. Die derzeitigen Aufenthaltsorte dieser Geflüchteten sind über ganz Europa verteilt – von Madrid und Amsterdam bis Wien, Frankfurt und Budapest und auch Zypern, Städte in Israel und natürlich Ortschaften in der Westukraine. Der allergrößte Teil der von uns interviewten Menschen erwartete tatsächlich keinen Krieg. Sie glaubten hoch und heilig an das „Nie wieder“. Das ist eine unserer Thesen – zu zeigen, dass die Welt sich in einem Augenblick verändern kann. Und darauf muss man vorbereitet sein. |