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Konstantinowka
Zwei Iskander-Raketen schlugen 15 Meter von meinem Haus entfernt ein

Juri Mitnitzkij, Rentner
Foto bereitgestellt von Juri Mitnitzkij
Für mich begann der Krieg am frühen Morgen des 24. mit Granatenexplosionen. Mir war klar, dass die Russen mit aller Kraft angreifen würden, es aber äußerst schwierig sein würde, die Ukraine zu erobern – das ist nicht Tschetschenien, deshalb schossen sie überall hin. Selbst in einem furchtbaren Traum konnte man sich das nicht vorstellen. Ich habe niemals zwischen Russen und Ukrainern unterschieden.

Ich konnte nicht glauben, dass Russland einen so dummen Schritt machen würde. Für mich existiert jetzt dieses Volk überhaupt nicht mehr. Meine Mutter ist Russin, aber mein Vater Jude. Sie hat sich zehnmal im Grabe umgedreht.

Als die Russen die Schule gegenüber getroffen haben und mein Haus in die Luft gesprengt wurde, sagte ich zu den Jungs der Ukrainischen Streitkräfte: „Macht keine Gefangenen.“ Sie können nur töten – das ist kein Volk, sondern Gesindel – ein Blödmann führt sie und sie lassen sich führen.

Juris zerstörtes Haus

Foto bereitgestellt von Juri Mitnitzkij
Was für Landsleute sind sie für mich?

Ich habe viele Jahre in Donezk gelebt und gearbeitet, seit 2007 leitete ich die regionalen Abteilungen mit unterschiedlichen Profilen – Fischerei, Wasserressourcen usw. Nach den Ereignissen 2014 verließ ich meine Wohnung dort und kehrte in mein Vaterhaus in Konstantinowka zurück. Ich wollte nicht unter Besatzung leben, obwohl mir die Position eines lausigen Ministers angeboten wurde. Ich sagte nein, Leute, wir trennen uns friedlich, ich fahre.

Mein Vertreter wurde Minister bei ihnen.
Heute habe ich meinen ehemaligen Donezk-Freunden nicht nur nichts zu erzählen, für mich existieren sie nicht. Früher haben sie mich angerufen: „Jurij Wladimirowitsch, hab keine Sorge, bald treffen wir uns und trinken hundert Gramm.“ Ich zu ihm: „Welche hundert Gramm, du Bastard?“

Mein Vater machte den gesamten Krieg ab 1941 durch, hatte Auszeichnungen, liebte es, die Memoiren von Rokossowskij und Tschernjachowskij zu lesen. Wenn er gesehen hätte, was heute geschieht, wäre er gestorben. Wir haben Russland nicht bedroht, ich bin eine russischsprachige Person, aber die Staatssprache ist Ukrainisch und ich beherrsche sie.

Alles, was nach dem russischen Beschuss von Juris Haus übrig geblieben ist
Foto bereitgestellt von Juri Mitnitzkij
Bruchstücke der Iskander-Rakete
Foto bereitgestellt von Juri Mitnitzkij
Die Folgen des russischen Angriffs
Foto bereitgestellt von Juri Mitnitzkij
Heute habe ich meinen ehemaligen Donezk-Freunden nicht nur nichts zu erzählen, für mich existieren sie nicht. Früher haben sie mich angerufen: „Jurij Wladimirowitsch, hab keine Sorge, bald treffen wir uns und trinken hundert Gramm.“ Ich zu ihm: „Welche hundert Gramm, du Bastard?“
Der Kreml erkennt jetzt alle Russischsprachigen als Landsleute an. Was für Landsleute sind sie für mich? Sie vernichten eine russischsprachige Region. Sie haben um drei Uhr nachts mein Haus vernichtet, wie durch ein Wunder sind wir und unsere Tochter mit dem Leben davongekommen. Zwei Raketen vom Typ Iskander schlugen in einer Entfernung von 15 Metern ein – alles wurde zerstört.

Praktisch vom ersten Kriegstag an lebten wir unter Beschuss, aber erbitterte Kämpfe gab es in Konstantinowka nicht – die Russen gingen nach Süden - Mariupol und Wolnowacha, und nach Norden – Sewerodonezk, Popasnoe, Rubeschnoe. Wir befanden uns aber im Zentrum.

Zwei Vettern von mir leben in Mangusch – 12 km von Mariupol, Bis heute weiß ich nicht, was mit ihnen ist, telefonisch bekomme ich keine Antwort.

Yuris Vater ist der Veteran des Zweiten Weltkriegs Wladimir Mitnitzkij

Foto bereitgestellt von Juri Mitnitzkij
Es ist nicht einmal eine Evakuierung, sondern eine Flucht vor dem Tod

Unser Haus wurde am 22. März zerbombt – das war der erste Luftangriff in Konstantinowka auf ein Wohnhaus. Die Gebäude rundum wurden auch beschädigt – ein Dach wurde weggetragen, die Türen ausgeschlagen. Mein Haus wurde einfach zertrümmert, niemand glaubt, dass ich überlebt habe. Еs ist einfach die Vorsehung Gottes, dass ich keinen Kratzer habe. In diesem Haus war ein Teil meiner Seele, mein Vater hat es gebaut, ich wurde dort geboren, bin dort aufgewachsen… Als ich meine Eltern begraben hatte, kehrte ich dorthin zurück und jetzt ist es einfach nicht mehr da.

Auf der anderen Straßenseite mir gegenüber war die Schule – dort war die Nationalgarde einquartiert, sie hatten kein kriegstechnisches Gerät und patrouillierten nur. Und gerade dort landete ein Treffer, es gab viele Tote. Und ringsum standen Wohnhäuser.

Der Kreml erkennt jetzt alle Russischsprachigen als Landsleute an. Was für Landsleute sind sie für mich? Sie vernichten eine russischsprachige Region
Ich erinnere mich, dass die Evakuierung aus Donezk mehr oder weniger friedlich vor sich ging, aber heute ist es nicht einmal eine Evakuierung, sondern eine Flucht vor dem Tod. Wir fuhren mit einem Firmenwagen meiner Tochter, weil mein Auto in Stücke gerissen war. Wir erreichten Ternopol und dann rief mich mein Bruder aus Israel an: „Komm zu uns.“ Meine Frau hatte ich im Herbst vergangenen Jahres begraben – sie war an Covid gestorben, ich hatte kein Haus, kein Auto, aber die Kinder lebten Gott sei Dank und waren gesund.
Konstantinowka ist eine Arbeiterstadt mit starker prorussischer Gesinnung. Aber nach dem, was sie in der Volksrepublik Donezk gesehen hatten, und besonders seit dem Beginn dieses Krieges, haben viele ihre Ansichten geändert.

Wir waren zu drei Brüdern, geblieben sind Boris und ich. Er lebt in Israel. Großmutter Gisja, Großvater Boruch und Tante Anja wurden 1942 im Ghetto Konstantinowka erschossen, sie verweigerten die Evakuierung.

Es gibt ein Denkmal, das wir aufrecht erhalten und an dem wir uns am Erinnerungstag für die Opfer des Holocaust versammeln, ich habe es jedes Jahr besucht. Mehr als fünftausend Menschen liegen dort.

Ich habe zwei Töchter, Ärztinnen, sie wollten nicht loslassen. Sie müssen ihr Leben aufbauen. Aber ich fahre, versuche es. Es gelingt mir zu Hause zu leben, im Gelobten Land, das heißt, wir werden leben. Mit 61 Jahren ist es schwierig, von neuem anzufangen…

Holocaust-Denkmal in Konstantinowka
Foto bereitgestellt von Juri Mitnitzkij
Die Augenzeugenbericht wurde am 9. April 2022 aufgezeichnet

Übersetzung: Dr. Dorothea Kollenbach