Abseits stand eine Kolonne von privaten Autos, die sich darauf vorbereiteten, den Autobussen zu folgen – man erlaubte ihnen nicht zu fahren, obwohl der Korridor auf staatlicher Ebene vereinbart worden war. Aber einer rastete aus – fuhr als Erster los und die anderen folgten. Wir entschlossen uns damals nicht dazu, aber warteten ungeduldig auf eine Nachricht – die zuerst gefahren waren, sind gut angekommen. Am folgenden Tag formierte sich genauso eine Kolonne – mit weißen Bändern und Aufklebern „Kinder“ auf den Fenstern. Jeder bemühte sich, möglichst viele Passagiere in seinem Auto mitzunehmen – so fuhren wir zum Beispiel mit einer Familie, mit der wir zusammen in dem Windfang gehaust hatten – drei Frauen, drei Kinder und mein Mann am Steuer. Zur gleichen Zeit – am 10. März, ließen sie die ersten 50 Autobusse mit Kindern, Frauen und Invaliden fahren.
Bei denen, die am 9. März gefahren waren, hatten die Russen die Telefone konfisziert oder die Simkarten vernichtet. Aber wir fanden alte Mobiltelefone, die wir vorzeigten, während wir die neuen im Wagen unter den Fußmatten versteckten.
Hinter unserem Haus – ein Massengrab
Ich wollte ein Foto machen, alle schrien mich an, wenn sie das fänden, könnten sie uns umbringen. Auf beiden Seiten der Straße – zerstörte Häuser, nicht explodierte Granaten, im „Epizentrum“ (Supermarkt) – ein zerschossenes Auto, innen tote Körper, ich konnte sogar die Haarfarbe einer Frau erkennen – rot. Als wir nach Worsel abbogen, sahen wir einen ausgebrannten Wagen mit weißen Lappen und der Aufschrift „Kinder“. Wir dachten – wie viele solcher Wagen werden wir unterwegs treffen und werden wir nicht unter ihnen sein? Meine Freundin hat eine Tochter – deren Klassenkameradin mit ihrer Familie… im selben Auto. Die Eltern überlebten, das Mädchen nicht.
Die Route war streng abgesprochen und angemeldet – von Butscha nach Worsel, über russische Kontrollpunkte. Auf dem Weg fuhren Kolonnen mit russischem Kriegsgerät, ein Meer von Panzern und Schützenpanzern und in jedem Hof im Privatbereich stand ihre Kriegstechnik.
Unser Benzin reichte genau bis zur ersten Tankstelle in Kiew. Wir hatten große Angst, dass wir mitten auf der Straße anhalten oder auf ein Stück Metall fahren und die Reifen beschädigen würden. Unsere Verwandten rieten uns, eine Ruhepause einzulegen, uns zu waschen, denn wir waren so viele Tage ohne Wasser gewesen – in den Kellern und Zufluchtsräumen. Ich sagte dazu, dass wir uns in Lwow schon waschen würden.
Wir übernachteten in Lwow, von dort ging es mit dem Bus des israelischen Außenministeriums nach Przemysl (Polen). Dort traten wir mit „Sochnut“ in Verbindung, durchliefen in Warschau die konsularische Kontrolle und flogen nach Israel.
Was ließen wir zurück? Hinter unserem Haus – ein Massengrab, wo am 11. März 76 Tote nur in Säcken begraben wurden – damals beschlossen die Russen zum ersten Mal, die auf den Straßen liegenden Leichen zu sammeln. Später beerdigten sie noch, ohne die zu zählen, die sie in den Höfen, Gärten und Beeten begruben. Und wie viele Tote lagen in den Kellern und Garagen in anderen Regionen – in Jablonskij, in der Glasfabrik usw. Dazu kommt ein ganzes Feld namenloser Gräber auf dem Friedhof, wo die Menschen liegen, die nicht identifiziert werden konnten…