Kaum betraten wir die Brücke, als Sirenen aufheulten und die Kinder losplärrten. Ich sage zu ihnen: „Ihr könnt weinen und schreien, so viel ihr wollt – nur lauft und bleibt nicht stehen.“
Wir wurden von meinem Sohn David, der schon seit 8 Jahren in Israel lebt, und meiner Nichte abgeholt, die ihre Eltern zu sich geholt hatte.
Wir übernachteten bei meinem Sohn. Ich erinnere mich nicht einmal daran, wie wir die Wohnung betraten. Er erzählte mir dann, ich sei eingeschlafen und er habe mich einfach ins Haus gezogen und ins Bett gelegt. Ich erwachte in den Kleidern, in denen ich im Keller in Anatewka geschlafen hatte, und mit einer Maske auf dem Kinn. Das war sehr komisch… Am nächsten Tag wies uns das Ministerium für Integration Hotelzimmer zu – auch in Beer-Schewa.
Als die Frage sich stellte, wo wir wohnen würden, orientierte ich mich an den Bildungseinrichtungen, um die jüdische Erziehung beizubehalten, die die Kinder in der Ukraine erhalten hatten. Wir haben Freunde in Kirjat-Malachi – wir mieteten dort eine Wohnung, die Kinder gehen in die Schule, langsam richten wir uns ein.
Mein Sohn kann sich nicht freuen, während in der Ukraine Krieg herrscht
Das Trauma ist natürlich nicht vorbei – immer wieder weint eines der Kinder. Wir hatten hier ein wunderbares Purim-Fest – die gesamte Stadt feierte, viele Clowns, Vergnügungen, Mahlzeiten, alles sehr schön. Und plötzlich warf Josef alles hin, lief nach Hause und schluchzte: „Mama, wie kann ich feiern, wenn die Kinder in der Ukraine sich kein Kostüm kaufen können, weder Hamantaschen essen, noch Mischloach Manot (Süßigkeiten) bekommen, bei ihnen dort gibt es kein Purim, nur Explosionen.“ Er regte sich so auf, dass er alles hinwarf, was er geschenkt bekommen hatte – sagte, dass er überhaupt nichts wolle, sich nicht freuen könne, während so etwas passiert. Und sofort dachte er an seinen Vater und daran, dass wir ohne ihn feierten. Wenn es den Kindern schlecht geht, denken sie sofort an Papa und das ist sehr schmerzhaft.