Cookies managing
We use cookies to provide the best site experience.
Cookies managing
Cookie Settings
Cookies necessary for the correct operation of the site are always enabled.
Other cookies are configurable.
Essential cookies
Always On. These cookies are essential so that you can use the website and use its functions. They cannot be turned off. They're set in response to requests made by you, such as setting your privacy preferences, logging in or filling in forms.
Analytics cookies
Disabled
These cookies collect information to help us understand how our Websites are being used or how effective our marketing campaigns are, or to help us customise our Websites for you. See a list of the analytics cookies we use here.
Advertising cookies
Disabled
These cookies provide advertising companies with information about your online activity to help them deliver more relevant online advertising to you or to limit how many times you see an ad. This information may be shared with other advertising companies. See a list of the advertising cookies we use here.
Hostomel
Russen wohnten bei uns und sie haben buchstäblich in jedes Zimmer geschissen – überall, wo man sich hinhocken kann
Sara, Privatunternehmerin
Schwere Zerstörungen in Hostomel
Mit einer Art sechstem Sinn spürten wir das Nahen des Krieges und planten deshalb bereits im Januar wegzufahren. Wir hatten uns in einer Pension in der Nähe von Lwiw niedergelassen und dachten schon damals daran, nach Israel auszuwandern. Aber im Januar begann der Krieg nicht und wir kehrten mit all unseren Sachen zurück, obwohl wir dauernd in Erwartung von etwas Schrecklichem waren.

„Grad“-Raketenwerfer standen 200 Meter von unserem Haus entfernt

Am 16. Februar gab es wieder beunruhigende Nachrichten. Ich ließ meine jüngste Tochter nicht in die Schule gehen und wir fuhren nach Hostomel, wo mein Schwiegersohn und meine älteste Tochter ein Haus haben. Aber auch an diesem Tag begann der Krieg nicht und wir fuhren wieder nach Kyiw zurück. Und schon am 24. wurden wir von Explosionen geweckt…

Die Sachen waren schon gepackt und sogar in die Autos (wir haben zwei) verstaut, deshalb waren wir bereits um fünf Uhr morgens auf dem Weg nach Hostomel. Wir dachten, sie würden Kyiw bombardieren und die Vororte würden verschont werden. Umso mehr, als dort im Haus ein Luftschutzkeller war – mein Mann hatte ihn selbst gebaut.

Frühmorgens waren wir schon bei den Kindern, kauften für siebentausend Hrywnja ein, solange noch keine Panik ausgebrochen war. Meine ältere Tochter hat ein einjähriges Kind, das künstlich ernährt wurde, deshalb nahmen wir alle Kindernahrung, die wir finden konnten. Wir achteten nicht einmal auf die Kaschrut (jüdischen Speisegesetze), obwohl wir es sonst tun.

Unser Wasser wird von elektrischen Pumpen gefördert, aber am 27. fiel ein Flugzeug auf die Stromleitung, die Unterstation explodierte und bei uns fielen sofort Strom, Netzverbindung, Wasser und Heizung aus… Es wurde bereits gekämpft. Wir wohnen neben einer Glasfabrik, wo die Russen Haubitzen und „Grad“-Raketenwerfer aufstellten – 200 Meter von unserem Haus entfernt. Eine von ihnen schoss auf Kyiw, mein Bruder wohnt in Winogradar – von uns aus erreichten die Geschosse sein Viertel, das Einkaufszentrum wurde getroffen und alle Fenster gingen zu Bruch.

Das zerstörte Hostomel
Hostomel verlassen konnten wir schon nicht mehr, die Brücke war gesprengt. Als das Wasser aufgebraucht war, schaufelten wir Schnee von der Terrasse und schmolzen ihn dann in Wannen. Wasser für das Kind wurde im Kamin gewärmt – in der Nacht musste man regelmäßig aufstehen.

Zur Toilette gingen wir nach draußen, zuhause gab es keinen Abfluss – der Beschuss war sehr stark, um uns herum fiel ständig etwas und brannte, aber was soll man da machen. Später erfuhren wir, dass die Supermärkte brannten, wo wir am ersten Tag eingekauft hatten.

Bei uns standen vier Autos und ich schaltete um 10 Uhr morgens in der Garage das Radio an, um zu verstehen, was gerade passiert. Wir lebten inzwischen nur noch unter Beschuss, hauptsächlich im Keller, aber wenn der Beschuss etwas abebbte, kamen wir heraus, um Essen auf dem Feuer zu kochen. Brennholz hatten wir, in Aluminiumtöpfen kochten wir Regenwasser.

Mit Lebensmitteln hatten wir uns versorgt, aber nachdem der Strom abgeschaltet war, funktionierten alle Kühlschränke nicht mehr. Wir hatten einen riesigen Gefrierschrank, der mit koscherem Fleisch vollgestopft war, und alles verdarb.

Ein russischer Panzer begann den Geschützturm auf uns zu richten

Am 2. März wurden wir morgens durch furchtbaren Beschuss wach. Ich lief in die Garage, hörte Radio und schlug vor, sofort wegzufahren. Freunde schlugen vor, wir sollten nach Anatewka kommen (eine mit den Mitteln der jüdischen Gemeinde gebaute Siedlung bei Kiew – Anm. d. Red.). Aber der Weg dorthin führt über die Schytomyr-Autobahn und dort standen bereits die russischen Panzer. Zur Autobahn mussten wir erst kommen – über Butscha, an dessen Grenze unser Haus steht. Trotzdem beschlossen wir, in zwei Jeeps loszufahren.

Als die Russen kamen, ließen sie drei-vier Tage überhaupt niemanden aus den Wohnungen, wobei es weder Wasser, noch Gas oder Strom gab
In Butscha begann ein russischer Panzer den Geschützturm auf uns zu richten – mein Mann sagt, „während der dreht, können wir in die Gasse einbiegen.“ Und wir rasten mit beiden Autos in die Gasse. Über den Bahnübergang sind wir flott durchgekommen – die Russen waren dort noch nicht, aber auf der Schytomyr-Autobahn stand ein Posten der Ukrainischen Streitkräfte. Sie sagen, „vor uns sind schon feindliche Panzer. Der einzige Ausweg ist, mit maximaler Geschwindigkeit auf der Gegenfahrbahn zu fahren.“ So grob hatten wir die Verkehrsregeln noch nie verletzt.

Letztendlich kamen wir durch und bald wurde dort schon alles in die Luft gesprengt. In Anatewka wurden wir gebeten, ein schwangeres jüdisches Mädchen aus der Entbindungsklinik in Worsel mitzunehmen, aber am nächsten Tag wurde die Stadt eingenommen und die Entbindungsklinik eingekreist. Das Mädchen verbrachte einen Monat unter Besatzung. Für 6.000 Dollar kauften ihre amerikanischen Verwandten sie frei. In Prag hat sie erfolgreich entbunden, aber sie berichtet schreckliche Sachen.

Unsere anderen Freunde gerieten in die Besetzung in Butscha – zunächst schrieben sie, dass die Russen von Wohnung zu Wohnung gingen und die Telefone einsammelten, dann brach die Verbindung ab. Ihren Berichten zufolge feuerten die Panzer einfach ununterbrochen, wohin immer sie die Mündung drehen konnten – meistens schossen sie auf die Fenster vom ersten bis zum dritten Stockwerk. Unsere Freunde versteckten sich im Badezimmer. Die Russen ließen die ersten drei, vier Tage überhaupt niemanden aus den Wohnungen, wobei es weder Wasser noch Gas oder Strom gab. Dann erlaubten sie den Leuten, ihre Wohnung für zwei Stunden täglich zu verlassen, um Essen auf einem Feuer zu kochen. Die Menschen demontieren schöne Holzzäune und entfernten das Maschendrahtgeflecht, der Zaun wurde zu Brennholz und auf dem Maschendraht kochten sie wie auf einem Grill.

Die Überreste des Flughafens von Hostomel
Unsere Freunde wohnten im Zentrum am Stadion im siebten Stockwerk eines Mehrfamilienhauses. In die elfte Etage schlug eine Rakete ein, einige der Bewohner starben. Sie hatten ein Auto, aber mit leerem Tank. Am 8. März gaben ihnen die Nachbarn etwas Benzin und es gelang ihnen, in einer Kolonne über den Evakuierungskorridor wegzufahren. Es waren ungefähr 200 Fahrzeuge, doch einige wurden von den Russen zerschossen. Sie wurden weggezogen und es ging weiter. Jetzt sind diese Leute in der Westukraine.

Wie sie die Waschmaschine abtransportiert haben, bleibt ein Rätsel

Was uns betrifft, so stand auch Anatewka drei Tage später unter starkem Beschuss und alle wurden von dort evakuiert – zuerst nach Moldawien und von dort nach Rumänien und danach nach Israel.

Aber wir hatten es rechtzeitig geschafft, da die Russen buchstäblich am folgenden Tag nach unserer Flucht in Hostomel einmarschierten. Sie wohnten bei uns und schissen im wahrsten Sinne des Wortes in jedes Zimmer – überall, wo man sich hinhocken kann, taten sie es. Selbst da, wo sie aßen. Sind das überhaupt Menschen oder Tiere? Und natürlich haben sie viel gestohlen. Den Fernseher, die Waschmaschine, die Kaffeemaschine, die Computer, Kinderspielzeug, alle Sachen meines Schwiegersohns – von T-Shirts bis zu Jacken und Schuhen. Wie sie die Waschmaschine abtransportiert haben, bleibt ein Rätsel – sie war riesig… Bei unserem Nachbarn konnten sie den zweitürigen Kühlschrank nicht durch die Tür ziehen und haben ihn einfach in Stücke gehauen.

Auch kleine Sachen nahmen sie selbstverständlich mit – Schmuck usw. Dafür hinterließen sie uns viel von ihrem Essen, ganze Kartons voll mit russischen Trockenrationen. Auch ihre Kleidung ließen sie zurück – sie zogen die Sachen unseres Schwiegersohns und unseres Nachbarn an und ihre ließen sie liegen (sie wurden später von den Ermittlungsbehörden abgeholt).

Sie zerlegten zwei Autos. Sie suchten Benzin, aber drehten nicht einfach den Deckel des Benzinbehälters ab, sondern schnitten die Rücksitze aus, rissen die Tür heraus, schlugen ein Loch in den Benzintank und steckten ein Rohr hinein… Es blieb nur ein Haufen Metall zurück.

Foto mit freundlicher Genehmigung des staatlichen Notdienstes der Ukraine
In der Nähe unseres Hauses stand ein Auto mit Menschen, die zu flüchten versucht hatten – sie waren erschossen worden, der Mann, die Frau und zwei Kinder
Zu allem Überfluss verminten sie das Haus auch noch. Aber mein Schwiegersohn arbeitet im Notfallministerium und konnte sofort nach der Befreiung der Stadt nach Hause (er war es auch, der mir ein Foto und ein Video schickte von dem, was er gesehen hatte). Natürlich ging er nach den Minenräumern hinein. Schon vorher hatte ein Elektriker versucht, die Stromversorgung wiederherzustellen und kam dabei zu Tode – da war eine Sprengfalle. In der Nähe unseres Hauses stand ein Auto mit Menschen, die zu flüchten versucht hatten – sie waren erschossen worden, der Mann, die Frau und zwei Kinder. Sie wurden auch von den Minenräumern entdeckt. Mein Schwiegersohn hat mir in kleinen Portionen Fotos geschickt – mir wurde schlecht davon.

Viel später erfuhren wir, dass die Russen einige unserer Nachbarn erschossen hatten. Ein anderer Nachbar schrieb uns, dass er nach Hause zurückkehrte und seine erschossene Frau vorfand, ihr Leichnam sei zum Teil schon verwest gewesen.

Es gibt auch die umgekehrte Situation. Eine Freundin wohnt im Dorf Moschun – das ist in der Nähe von Hostomel. Bei ihnen waren auch Russen einquartiert. Sie tranken den ganzen Alkohol aus (bei uns übrigens auch) und in solchem Zustand fanden die Soldaten der ukrainischen Streitkräfte sie offenbar vor und erledigten sie. Und als die Wohnungseigentümer zurückkehrten, sahen sie im gesamten Haus Leichen von Russen. In Urin und Scheiße.

Wir haben Verwandte in Russland – Cousins meines Mannes. Mit einem von ihnen ist mein Mann in Verbindung, er schickt ihm ständig Informationen über das, was bei uns geschieht. Jener sagt, er unterstütze die Ukraine, aber er könne nichts tun. Die Schwester meines Mannes ist in Kiew geblieben und hat alle Kontakte mit russischen Verwandten abgeblockt.

Wir sind jetzt in Haifa und verfolgen die Ereignisse in der Ukraine auch hier in Israel – hören ständig Nachrichten. Unsere einzige Hoffnung besteht darin, dass das alles bald aufhört. Wir haben eine Familienfirma zur Fertigung von Fenstern, Küchen und Möbeln auf Bestellung. Unsere Produktion befindet sich in Uschgorod, sie funktioniert, wir müssten hinfahren, irgendwelche Angelegenheiten regeln, aber wenn ich ehrlich bin, gefällt es mir hier sehr gut.

Die Zeugenaussage wurde am 5. Mai 2022 aufgezeichnet

Übersetzung: Dr. Dorothea Kollenbach